Wir opfern weite Teile unserer Privatsphäre freiwillig und aus rationalen Gründen

Wir opfern weite Teile unserer Privatsphäre freiwillig und aus rationalen Gründen

Überall wird über die zunehmende Bedeutung von Reputation gesprochen. Diese soll beschreiben helfen, wie sich jemand oder etwas in der Zukunft wahrscheinlich verhalten wird. Letztlich ist die Einschätzung der Reputation ein Informationsersatz für die wirkliche Qualität, die Außenstehende kaum je zutreffend bewerten können.

So eine Art Abschätzung des Verhaltens im Voraus kann aber nur gelingen, wenn Informationen aus der Vergangenheit vorliegen. Fehlen diese, kann das schnell reputationsmindernd wirken. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Personaler die Namen von Bewerbern googlen und nichts finden. Dann haben sie zwar nichts Negatives in der Hand. Allein schon das Fehlen von Positivem wirkt aber verdächtig. Dieses kleine Beispiel zeigt, dass – gleiche Qualität vorausgesetzt – derjenige in Reputationsfragen im Vorteil ist, der Informationen von/über sich preisgibt.

Diesen schlichten Gedanken finde ich wichtig, wenn wir über die Privatsphäre und den Datenschutz reden. Meistens wird bei diesbezüglichen Diskussionen suggeriert, dass irgendeine böse Macht – wahlweise mit den Namen Google, Facebook oder Apple – sich an uns heranpirscht und uns armen Unschuldigen unsere Daten klaut, um sie für ihre Machenschaften zu missbrauchen, ohne dass wir uns wehren könnten. Tatsächlich ist es aber so, dass wir häufig u.a. aus Gründen des Reputationsaufbaus in Bereichen, die für uns persönlich wichtig sind, die allermeisten unserer Daten freiwillig herausgeben, weil wir eben einen handfesten Vorteil dadurch haben. Das kann die Reputation auf Berufsfeldern sein. Aber allein schon die Stellung in der Freundesgruppe kann als Grund ausreichen, um Intimstes zu veröffentlichen.

Vor diesem Hintergrund finde ich ebenso wie Thomas Knüwer bemerkenswert, was unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel in der BILD zum Thema privat vs. öffentlich gesagt hat:

(…)
BILD: Stichwort „Google Street View“. Wo verläuft für Sie die Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem im Internet?

Merkel: Zum großen Teil liegt es an einem selbst, was man im Internet von sich preisgibt. Der Staat muss die Privatsphäre aber schützen, wo der Einzelne zwar Schutz in Anspruch nehmen möchte, ihn aber nicht selbst herstellen kann. Genau darüber berät die Bundesregierung derzeit intensiv.
(…)

Wo der Einzelne sich schützen will, aber nicht kann, sollte also Hilfe geboten werden. Ich denke, da stimmen wir alle zu. Natürlich gehen Unternehmen wie Facebook häufig ziemlich intransparent vor und nutzen das Unwissen der Leute aus, worauf entsprechend reagiert werden muss.

Wo aber der Einzelne zum eigenen Vorteil freiwillig persönliche Informationen preisgibt und sich dann hinterher angesichts von absehbar auftretenden Nachteilen darüber beschwert, dass seine Informationen nun öffentlich sind, sollte auf die persönliche Verantwortung gepocht werden. Das wird leider häufig nicht gemacht. An dieser Stelle scheint mir daher so manche Diskussion etwas scheinheilig geführt zu werden.

Insgesamt nehme ich an, dass wir langfristig Vieles aus der bisherigen Privatsphäre freiwillig öffentlich machen werden, weil es in der Summe Vorteile für uns hat und nicht, weil uns irgendein böses Unternehmen hinter’s Licht führt.

Bildquelle: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von jeffschuler

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