Der Anachronismus Buchpreisbindung

In Deutschland können Händler die Preise ihrer Waren frei bestimmen. Nur im Falle von Büchern gibt es eine Ausnahme, die Buchpreisbindung heißt. Die Buchpreisbindung ist im Buchpreisbindungsgesetz (BuchPrG) festgeschrieben.

Der Anachronismus Buchpreisbindung

In Zukunft werden E-Books für die Buchpreisbindung eine immer wichtigere Rolle spielen, da sie für den Buchhandel immer wichtiger werden. Meiner Meinung nach ist zu erwarten, dass sie in vielen Bereichen den Markt dominieren und die “P-Books” in Nischen drängen werden. Wir reden zwar schon seit über 10 Jahren über E-Book-Reader, aber erst jetzt beginnt die Entwicklung mit Geräten wie Kindle & Co. richtig Fahrt aufzunehmen.

Bis vor kurzem hatte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels den Standpunkt vertreten, dass E-Books nicht preisgebunden sind. Noch heute findet sich auf dessen Website im Preisbindungsglossar folgender Eintrag zu E-Books:
Unter E-Books werden überwiegend Bücher in digitaler Form verstanden, die entweder vom Verlag selbst über verlagseigene Portale oder über dritte Portalbetreiber oder Vertriebspartner zum Download angeboten werden. Nach Auffassung des Börsenvereins sind E-Books keiner Preisbindung zugänglich. Begründet wird dies vornehmlich mit den besonderen tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für E-Books. Verwiesen wird insbesondere darauf, dass bei grenzüberschreitenden Lieferungen, wie sie beim Vertrieb von Ebooks typisch und gängige Praxis sind, keine Preisbindung gilt (§ 2 Abs. 1 BuchPrG, europäisches Kartellrecht).

Allerdings hat sich der Standpunkt des Börsenvereins im September 2008 plötzlich geändert. Er veröffentlichte eine Stellungnahme zur Preisbindung von E-Books (PDF), in der es heißt::
Frage: Sind E-Books nach dem Buchpreisbindungsgesetz preisgebunden?
Antwort: Ja. Bücher im Sinne des Buchpreisbindungsgesetzes sind gemäß § 2 Abs. 1 auch »Produkte, die Bücher, Musiknoten oder kartografische Produkte reproduzieren oder substituieren und bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind«. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes ist davon auszugehen, dass die Gerichte den preisungebundenen Handel mit E-Books als Verstoß gegen das Buchpreisbindungsgesetz einstufen werden.

In einem Interview mit dem Börsenblatt legte der Preisbindungstreuhänder Christian Russ die Motive offen:
Börsenblatt: Hat der Erfolg von Amazons „Kindle“ in den USA die Entscheidung beeinflusst?
Russ: Natürlich. Die Stimmung in der Branche hat sich verändert, als sich gezeigt hat, dass Händler wie Amazon E-Books in den USA sehr günstig anbieten. Bei den Verlagen wächst die Sorge, keine Kontrolle mehr über die Preisgestaltung zu haben und mit preisfreien E-Books ihr Kerngeschäft mit Hardcovern und Taschenbüchern zu gefährden.

Noch ein Zitat aus der Stellungnahme zur Preisbindung von E-Books (PDF):
Frage: Was ist unter einem E-Book im Sinne von § 2 Abs. 1 BuchPrG zu verstehen?
Antwort: Verbindlich entscheiden das die Gerichte.

Seitdem hat sich die Situation nicht wesentlich verändert. Ich fürchte allerdings angesichts dieser Tendenzen, dass auch die Buchbranche die gleichen Fehler wie die Musikbranche machen wird. Das Vorgehen des Börsenvereins spricht für einen ähnlichen Versuch, sich gegen unaufhaltsame Marktentwicklungen zu stemmen. Denn die Sorge der Verlage, keine volle Kontrolle mehr über die künftige Preisgestaltung der (elektronischen) Bücher zu haben, ist sehr begründet. Nur leider werden sie wenig dagegen tun können. Ebenso wenig, wie die Musik- oder die Filmindustrie.

Bis dato werden in der Branche auf Papier gedruckte Kopien von Buchinhalten hergestellt, verbreitet und verkauft. Diese Kopien, d.h. Bücher, herstellen zu lassen, verursacht Kosten. Daher erhebt man adäquate Preise, die aus bestimmten Gründen zusätzlich gebunden werden. Es lässt sich darüber streiten, ob eine Buchpreisbindung bisher sinnvoll war oder nicht. Beide Standpunkte werden vertreten. In Zeiten der Digitaliserung stellen sich jedoch ganz andere Fragen. Hier wird es vielleicht auch ein Stück weit gleichgültig sein, ob die Preise gebunden sind oder nicht.

In einer digitalen Welt kostet die Herstellung einer Inhaltekopie, die dann auf einen E-Reader geladen wird, quasi kein Geld. Auch die Verbreitung dieser Kopie ist mehr oder weniger gratis. Man kann beliebig viele Kopien anfertigen und vertreiben. Da die Grenzkosten für Bücher hier also null Euro betragen, streben auch die Verkaufspreise der Null-Euro-Grenze zu. Am Beispiel der Musikindustrie kann man dieses Phänomen gut studieren. Doch auch in der Buchbranche fallen die Preise schon seit Jahren, obwohl es in Sachen Digitalisierung gerade erst richtig los geht.

Anstatt sich in dieser kritischen Phase über die Buchpreisbindung (vor Gericht) zu streiten, sollten die Akteure lieber neue Geschäftsmodelle für die neue digitale Welt suchen und erproben. Am Ende wird man sich ohnehin den Gesetzmäßigkeiten der Ökonomie digitaler Güter fügen müssen. Kulturauftrag hin oder her. Der Versuch einer E-Book-Preisbindung wird ein sinnloses Unterfangen bleiben. Wozu einen Preis binden, der langfristig null Euro beträgt? Bei Bedarf wird sich jeder Leser jedes Buch in elektronischer Form kostenlos besorgen können. In vielen Fällen wird man heute schon in den P2P-Netzen fündig. Eine Preisbindung erschwert zudem die Entwicklung von neuen und notwendigerweise flexiblen Geschäfts- und Bezahlmodellen für Buchinhalte. Ich finde es schade, dass sich die Branche hier selbst behindert.

Zum Abschluss noch ein paar Anmerkungen zu den ersten vier Paragraphen des Buchpreisbindungsgesetzes:

§ 1 Zweck des Gesetzes:
Das Gesetz dient dem Schutz des Kulturgutes Buch. Die Festsetzung verbindlicher Preise beim Verkauf an Letztabnehmer sichert den Erhalt eines breiten Buchangebots. Das Gesetz gewährleistet zugleich, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert.

Das Kulturgut Buch muss im Internet nicht mit einer Preisbindung geschützt werden. Jeder Autor und Verlag hat dort mit seinen Werken Zugang zur Öffentlichkeit. Der Vertrieb der Inhalte ist hier quasi kostenlos und stellt keine Aufgabe mehr dar, die von Verlagen und Buchhandel mithilfe der Preisbindung gelöst werden werden müsste. Auch Verkaufsstellen gibt es mehr als genug und sie sind alle nur einen Klick entfernt.

§ 2 Anwendungsbereich
(1) Bücher im Sinne dieses Gesetzes sind auch

3. Produkte, die Bücher, Musiknoten oder kartographische Produkte reproduzieren oder substituieren und bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind sowie

Wieso erklärt man noch immer den auf Papier gedruckten Inhalt zum Maßstab für die Zukunft?

§ 3 Preisbindung
Wer gewerbs- oder geschäftsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkauft, muss den nach § 5 festgesetzten Preis einhalten. Dies gilt nicht für den Verkauf gebrauchter Bücher.

Wie will man bei E-Books, d.h. digitalen Daten, neue und gebrauchte Bücher unterscheiden?

§ 4 Grenzüberschreitende Verkäufe
(1) Die Preisbindung gilt nicht für grenzüberschreitende Verkäufe innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes.

Wie will man grenzüberschreitende Verkäufe innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes verhindern?

Bildquelle: jblyberg: Amazon Kindle & Sony eBook

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